In ihrer jüngst ergangenen Entscheidung vom 28. September 2022, n° 20-20.260, bestätigt die Cour de cassation ein Urteil der Cour d’appel von Paris. Die Richter hielten fest, dass eine Schiedsvereinbarung von dem zugrunde liegenden Vertrag unabhängig sei. In der Wahl von Paris als Schiedsort sahen sie daher zugleich den Willen der Parteien, das französische Recht als das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht zu vereinbaren und entschieden sich dagegen, die in dem Vertrag enthaltene Rechtswahlklausel zugunsten des englischen Rechts auf die Schiedsvereinbarung durchschlagen zu lassen.

Dieser Ausgang war angesichts der Dalico-Entscheidung (Cour de cassation, Chambre civile 1, 20. Dezember 1993, 91-16.828) zu erwarten gewesen.

Im Gegensatz zu der französischen Rechtsprechung entschieden – in Bezug auf denselben Schiedsspruch – die englischen Gerichte, dass die Unabhängigkeit der Schiedsvereinbarung von dem Hauptvertrag nur dazu diene, zu verhindern, dass eine Unwirksamkeit des Vertrags selbst auch zu der Unwirksamkeit der Schiedsklausel führe und damit nicht notwendig eine von der Rechtswahl im Hauptvertrag abweichende Bestimmung der Parteien zu sehen sei. Wenn diese also den gesamten Vertrag einem bestimmten Vertragsstatut unterstellen, umfasse dies mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch die Schiedsvereinbarung. (England and Wales Court of Appeal, Civil Division, Urteil vom 20.01.2020, [2020] EWCA Civ 6, [2020] 1 Lloyd’s Rep 269, bestätigt durch Urteil des Supreme Court, Urteil vom 27. Oktober 2021, [2021] UKSC 48). Für Deutschland fordert der Bundesgerichtshof (Urteil vom 26.11.2020 – I ZR 245/19, SchiedsVZ 2021, 97 ff., 102, Rn. 53) eine Rechtswahl «für die Schiedsvereinbarung», beschäftigte sich aber nicht mit der Frage, ob die Rechtswahl in dem Hauptvertrag auch als «stillschweigende Rechtswahl» für die Schiedsvereinbarung zu werten sei, da sich bereits die Rechtswahl in dem Vertrag selbst als unwirksam erwies. Die Frage ist daher nach wie vor offen, wobei eine starke Strömung davon ausgeht, dass mit Wahl des Schiedsorts im Zweifel auch das dortige Recht als Statut der Schiedsvereinbarung gewählt worden ist (s. Musielak/Voit/Voit, 19. Aufl. 2022, ZPO § 1029 Rn. 28 m.w.N.).

Vereinbaren Parteien also eine Entscheidung durch Schiedsgerichte, so sollten sie sich auch Gedanken zu dem auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Recht machen und auch für die Schiedsvereinbarung eine eigenständige Bestimmung des anwendbaren Rechts vornehmen.

Thorsten Vogl
Rechtsassessor
Mitglied des Vorstands
sgo-at-eclipso.ch