Das Tribunale di Milano hatte einen interessanten Sachverhalt zu entscheiden: ein Vertrag enthielt zum einen eine Schiedsvereinbarung, nach der alle Streitigkeiten aus dem Vertrag auf dem Schiedsrechtswege zu entscheiden waren; als Schiedsinsitution wählten die Parteien die Camera Arbitrale di Milano. Zugleich enthielt der Vertrag aber auch eine Gerichtsstandsklausel, derzufolge der Gerichtsstand Mailand ist.
Trotz der Schiedsklausel erwirkte eine Partei einen Mahnbescheid vor staatlichen Gerichten. Das Mahnverfahren nach den Art. 633 ff. der italienischen Zivilprozessordnung ist ein rascher und einfacher Weg der Erlangung eines Vollstreckungstitels. Dabei wird in einem ersten Schritt ein Mahnbescheid (decreto ingiuntivo) erlassen, ohne dass der Schuldner angehört wird. Zwar sind dem Mahnbescheidsantrag Nachweise beizufügen, aus denen sich ergibt, dass die Forderung berechtigt ist; eine darin enthaltene Schiedsklausel berücksichtigt der staatliche Richter indes nicht von Amts wegen; es obliegt vielmehr dem Schuldner, den Schiedseinwand im Rahmen des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid zu erheben, worauf der Mahnbescheid aufzuheben ist, wie das Tribunale di Milano mit Hinweis auf vorausgegangene Rechtsprechung der Corte di Cassazione (Cass. 2011/5265) festhält.
So geschah es auch im vorliegenden Fall.
Die Beklagte machte geltend, die Klauseln seien widersprüchlich, so dass dem Vertrag kein eindeutiger Wille der Parteien entnommen werden könne, Streitigkeiten im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit beilegen zu wollen.
Das Gericht verwarf zu Recht dieses Argument. Zunächst hielt es auf der Basis der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs (Corte Cost. n. 2013/223) fest, dass die staatliche Gerichtsbarkeit keinen Vorrang vor der Schiedsgerichtsbarkeit habe, sondern beide Alternativen gleichwertig seien. Selbst wenn man also von widersprüchlichen Klauseln in dem Vertrag ausgehe, bedeute dies nicht, dass zwingend von der Zuständigkeit staatlicher Gerichte auszugehen sei. Sodann sei im Rahmen der Auslegung zu würdigen, dass die Parteien eine sehr präzise
Schiedsklausel formuliert hatten, die neben der zuständigen Schiedsinstitution den Verfahrensablauf und Fragen der Vollstreckbarkeit des Titels regelte. Dies lasse, so das Gericht zu Recht, nur das Ergebnis zu, dass sich die Vertragsparteien auf die Zuständigkeit des Schiedsgerichts geeinigt hatten. Das Vorhandensein einer Gerichtsstandsklausel stehe dieser Sicht nicht entgegen, da bestimmte Streitigkeiten, etwa über unverfügbare Rechte (s. Art. 806 der italienischen Zivilprozessordnung) oder auch bestimmte Verfahrensarten wie etwa einstweilige Massnahmen, nicht der Schiedsgerichtsbarkeit zugänglich sind. Die Gerichtsstandsklausel decke diese Fälle ab. Diese Auslegung der Klausel erfordere auch Art. 1367 des italienischen Zivilgesetzbuches, der verlangt, dass eine Auslegung, die Vertragsklauseln Geltung verschafft, im Zweifelsfall Vorrang vor einer völligen Entkräftung der Klauseln hat. Zu guter Letzt hat das Gericht den Einwand, die Beklagte habe durch Einleitung des Mahnverfahrens auf die Schiedsklausel verzichtet, eine Abfuhr erteilt und völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass Verträge nicht durch Verfahrenshandlungen einer Partei einseitig abgeändert werden können.
Thorsten Vogl
Rechtsassessor
Mitglied des Vorstands
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